Anzeige

Anzeige

Zum Artikel

Erstellt:
20. März 2024, 15:48 Uhr

Freispruch: Kein Nachweis für Sex mit 12-Jähriger

Ein 66-jähriger Mann wird freigesprochen, obwohl ihm schwerer Missbrauch vorgeworfen wurde. Doch die Beweislage bleibt unsicher. Für den Richter bleibt bei dem Freispruch „ein Geschmäckle“.

Lesedauer: ca. 2min 25sec
Freispruch: Kein Nachweis für Sex mit 12-Jähriger

Dornum/Aurich Einem 66-jährigen Auricher war vor dem Landgericht Aurich zur Last gelegt worden, in 50 Fällen mit einer Jugendlichen Sex gegen Entgelt gehabt zu haben. Hinzu kamen in der Anklage weitere 29 Fälle, die den (schweren) sexuellen Missbrauch eines zwölfjährigen Mädchens betrafen. Doch die Beweisaufnahme konnte keinen der angeklagten Fälle, die sich von Sommer 2021 bis Herbst 2022 in Dornum und der Samtgemeinde Holtriem zugetragen haben sollen, eindeutig nachweisen. Deshalb wurde der Angeklagte freigesprochen. „Es bleibt ein Geschmäckle“, gestand Richter Bastian Witte.

Die betroffenen Mädchen hatten alles andere als ein leichtes Leben. Sie wohnten in einer Einrichtung, waren zum Teil psychisch instabil und beeinträchtigt. Der Angeklagte soll zunächst Kontakt zu der Jugendlichen aufgebaut und ihr einen Putz-Job in Ferienwohnungen angeboten. Im Gegenzug für sexuelle Handlungen soll die Jugendliche Geld, Zigaretten und Alkohol bekommen haben. Die Kammer konnte aber nicht feststellen, dass es eine solche Übereinkunft gab und die Kausalität zwischen Sex und Geld bestand. „Die Jugendliche schwört hier Stein und Bein, dass sie schwer in den Angeklagten verliebt war“, sagte Richter Witte. Gegenüber ihren Freundinnen soll sie hingegen behauptet haben, sich zu prostituieren.

Auch bezüglich der Aussagen des Mädchens, das zur Tatzeit noch ein Kind war, gab es große Probleme. „Die Aussage gegenüber der Polizei steht diametral zu dem, was Sie uns hier gesagt haben“, versuchte der Vorsitzende der Nebenklägerin die Entscheidung des Gerichts zu erklären. Dinge seien von ihr immer wieder anders geschildert worden. „Wir können am Ende nicht sicher sagen, wie es gewesen ist“, betonte der Vorsitzende.

Dass das Mädchen von vornherein Suggestionen durch die Betreuerinnen ausgesetzt war, lag nicht nur für den Verteidiger, sondern auch für die Kammer nahe. Weil es einen Drogenverdacht gab, schauten die Betreuerinnen in das Handy des Mädchens und entdeckten dabei Chats mit dem Angeklagten. Es folgte intensive Befragungen durch die Betreuerinnen, bei denen das Mädchen nur mit ja oder nein antworten konnte. „Die Nebenklägerin kam dann nicht mehr aus der Nummer raus“, meinte Richter Witte. „Es besteht die Möglichkeit, dass es sich festgesetzt hat.“

Am Ende blieben nur die Fakten übrig, dass der Angeklagte Kontakt zu jungen Mädchen suchte, ihnen Geld, Zigaretten und Alkohol gab. Zudem sollen die Chats mit den Mädchen zum Teil sexualisierte Inhalte gehabt haben. „Aber das ist nicht Gegenstand der Anklage“, stellte die Staatsanwältin fest, die ebenfalls einen Freispruch beantragt hatte.

Es blieb ein etwas unbehagliches Gefühl – ein „Geschmäckle“ - zurück. Denn es war kein Freispruch aus erwiesener Unschuld. „Das ist ein Freispruch ‚Im Zweifel für den Angeklagten‘“, formulierte es Richter Witte klar und deutlich. Doch solange ein Zweifel besteht, kann ein Angeklagter in einem Rechtsstaat nicht verurteilt werden.

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen